Beim Lungenarzt



TRANSKRIPT
R. hatte diese Karte ausgesucht die ich Euch schicken soll. Weil auf der Vorderseite der Teddyvater die Teddymutti und das Teddykind abgebildet sind. Sie läßt vielmals grüßen. Wir wollten heute morgen noch ein paar Aufnahmen machen, können aber keinen Film bekommen. Deinen Muttertagsgruß bekam ich gestern morgen! Die Post ist hier lange unterwegs. Viele Grüße von uns Allen, besonders von R.



[ erlebt: 36-jährig / 1973 ]
[ Medium: Postkarte ] [ Archivierung: Keller / Regal / Pappkarton ]

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1973, als meine Tochter gerade vier Jahre alt war, hatte sie starke Probleme mit ihren Bronchien. Mal ging es 14 Tage lang gut, dann bekam sie auf einmal aus heiterem Himmel hohes Fieber. Dann machte ich ihr, manchmal sogar des Nachts, feuchtwarme Umschläge um Arme und Beine.
       An einem schönen Sommertag, bei herrlichem Wetter, spielte sie im Sandkasten. Da sie schon seit längerem immer wieder diese Schübe bekam, hatte ich schon einen Termin bei meinem Hausarzt. Auf einmal begann sie wieder zu glühen, so dass ich es leid war, und sofort zum Arzt eilte. Im Wartezimmer saß sie auf meinem Schoß und bekam kaum Luft. Als die anderen Patienten das sahen, ließen sie uns vor. Die Arzthelferin sagte noch: »Später konnten sie wohl nicht kommen.« Aber was hätte ich machen sollen? Vormittags war sie noch putzmunter gewesen. Von einem Augenblick zum anderen hatte sie einen hochroten Kopf bekommen, schwitzte wie verrückt und hatte Atemnot.
       Der Hausarzt horchte sie ab und stellte fest, dass sie eine Lungenentzündung hatte. Er riet mir, sie sofort zu einem Lungenarzt zu bringen und bestellte mir ein Taxi. Er prophezeite mir noch, dass ich sie wohl nicht wieder mit nach Hause nehmen könne, da sie wahrscheinlich direkt in eine Kinderklinik gebracht werden müsse. Nach dieser Prognose war ich erstmal am Flennen und fix und fertig.
       Der Lungenarzt beruhigte mich, wir sollten erstmal abwarten. Er röntge meine Tochter und da sie sonst ganz gesund und nicht mager oder verfallen aussah, durfte ich sie wieder mit nach Hause nehmen. Ich sollte fortan viel mit ihr an die frische Luft und sie dabei warm einpacken.
       Beim nächsten Termin ging es ihr schon wesentlich besser. Als der Lungenarzt Dr. Lorenz sah, dass ich ihr sogar eine Wärmflasche in den Fußsack des Kinderwagens gelegt hatte, meinte er: »Wenn Sie das nicht hinkriegen, wer denn dann?« Ich musste noch einige Male mit ihr in die Klimakammer, eine Kabine, in der man kaltem Druck ausgesetzt wurde, der ganz schön in den Ohren drückte. Ich selbst habe das nicht so gut vertragen. Ihr Zustand besserte sich zusehends. Allerdings empfahl mir Dr. Lorenz, mit ihr an die Nordsee zu fahren, da das raue Klima gut helfen würde. Da ich aber selbst gerade eine Schilddrüsenerkrankung mit Knotenbildung hatte, fuhr stattdessen meine Mutter für vier Wochen mit ihr an die See. Von dort schickte sie mir auch diese Karte. Meine Mutter und ihre Schwägerin, die auch mit war, kümmerten sich gut um meine Tochter. Sie waren viel an der Luft und haben auch zusammen Mittagsschlaf gehalten.
       Als ich meine Tochter nach vier Wochen endlich wiedersah, freute sie sich irrsinnig. Sie kam gerne wieder nach Hause.Inzwischen hatte ich schon Ärger mit dem Gesundheitsamt bekommen, da noch eine Pockenimpfung ausstand. Allerdings war dieser Impfwirkstoff so aggressiv, dass Kinder in mehreren Fällen schon gestorben waren. Ein etwas geschwächtes Kind zu impfen war also unverantwortlich. Zum Glück regelte Dr. Lorenz das mit dem Gesundheitsamt, so dass sie nicht geimpft werden musste. Danach war meine Tochter wieder völlig gesund und wir brauchten nicht wiederzukommen.


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