Die Püppis




[ erlebt: 16-jährig / ~1975 ]
[ Medium: Negativ-Foto-Abzug ] [ Archivierung: Schlafzimmer / Schrank / Schublade ]

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Dieses Foto entstand etwa 1975 im »Schusterkrug«, unserer Dorfdisco, in der wir Jugendlichen damals regelmäßig feiern gingen. Das war damals eine schöne, unbeschwerte Zeit. Jung sein, viel lachen, ausgiebig tanzen und einfach ganz viel Spaß haben.
       Um 19:30 Uhr haben wir fünf Mädels uns immer bei Brünner, einer Kneipe im Dorf, getroffen und sind von dort aus per Anhalter zum Schuster gefahren. Da wir gerade um die 16 waren, hatten wir nämlich weder Führerschein, noch Auto. Im Schuster angekommen, ging es immer erst in die Kneipe, Willi begrüßen! Willi war der Besitzer vom Schuster und noch dazu der Schwager von Ingrid. Deswegen hatten wir Mädels auch einen Sonderstatus bei ihm. Immer wenn uns einer dumm kam, war Willi zur Stelle! Doch einmal war das ganz anders.
       Die Ströher, ein paar ältere Jungs, die auch immer im Schuster waren, hatten schon seit einiger Zeit den alten R4 von Michael mit Becks vollgepackt. Dann ab damit zum Schuster! Auf dem Parkplatz hinter den Tannen geparkt, Kofferraum auf und Bier verkauft. Das klappte ganz gut. Und wie Willis »Püppis« (so nannte er uns immer) nun mal waren, nämlich zu allen Schandtaten bereit, machten wir drinnen ordentlich Werbung. Da damals fast jeder jeden kannte, sprach sich das Angebot schnell herum. Das Geschäft lief immer besser, da das Bier statt 1,30 DM, draußen nur 1 DM kostete. Nach kurzer Zeit reichte ein R4 für das Bier nicht mehr aus und die Jungs besorgten einen weiteren R4 und einen Bulli. Mit den Einnahmen wollten wir eine Spanferkel-Party veranstalten.
       Als es schließlich Herbst und das Wetter schlechter wurde, blieben auch unsere »Kunden« allmählich aus. Also wurden wir erfinderisch und schmuggelten die Flaschen durch das Fenster der Damentoilette. Wenn jemand bei uns ein Bier bestellte, nahmen wir das Geld und tauschten es gegen ein geschmuggeltes Becks. Auch das klappte gut! Bis auf einmal – so nach etwa fünf Wochen – Willi vor der Toilette stand! Ingrid, Marina und ich hatten alle Hände voll Becks und sahen Willis entsetztes Gesicht! Oh große Not!!! Ein riesengroßes Donnerwetter ging über uns nieder, aber so richtig. Es war auch nur eine Frage der Zeit gewesen, bis unsere Bier-Geschäftemacherei auffallen musste. Denn es ging ja immer mehr Leergut zurück an die Theke, das dort gar nicht hingehörte. Dennoch hatten wir zu dem Zeitpunkt mindestens über 500 DM zusammen und konnten das Spanferkel-Grillen in Angriff nehmen.
       Allerdings mussten wir auch Willis Bestrafung über uns ergehen lassen.Die sah so aus, dass wir vier Wochen nicht unangenehm auffallen und auch nicht mehr bis zum Schluss bleiben durften. Um 2:00 Uhr war Schluss für uns. Aber das Schlimmste kommt noch: Willi hat bestimmt ein Jahr lang nicht mehr »Püppis« zu uns gesagt!


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