RappershausenTRANSKRIPT G., 17.7.90 ¶ Meine liebe kleine Mausi! Wie geht es
Dir? Wie war denn die Fahrt? Wie ist dort das Wetter? Hast Du schon eine Freundin? – Frank ist heute früh Mit der Bahn losgefahren, nach Frankreich-Paris, an die Atlantik-Küste, nach Spanien, Portugal und noch andere Länder|in Europa. Dein Papa ist immer mit dem Fahrrad unterwegs und nie zu Hause. Wenn du mich anrufen willst, hier ist meine Nr.: XXXXX-36396. Ein Gespräch zu mir kostet nicht viel-zweieinhalb Minuten = 4 Einheiten = eine Mark, abends nach 6 Uhr. Helix und Hortensia geht es gut. Julia ist wieder zu Hause. – Nun wünsche ich meinem kleinen Mäuschen alles Gute und sei vielmals gegrüßt von Deiner Oma K.
Post Hendungen ¶ 8741 Rappershausen, 21.7.90 ¶ Hallo Oma wih get es dir das Wetter ist gut es scheint imer dih Sonne übrins danke für deinen brif. ich hbe son schon Freuninen Sarah und Susanne es grüst dich deine M.
[ erlebt: 8-jährig / 1990 ] [ Medium: Postkarte ] [ Archivierung: Wohn-/Arbeitszimmer / Pappkarton ] |
Eine Postkarte meiner Oma, die sie mir schickte, als ich 1990 auf einer CVJM-Freizeit in Rappershausen war. Damals, im Alter von acht Jahren, mein erster Urlaub ohne die Familie. Meine Oma ist bis heute die einzig mir bekannte Person, die von zu Hause aus Postkarten an die Verreisten verschickt hat. Daraufhin habe ich ihr natürlich zurückgeschrieben – oder es zumindest versucht. Ich war ein Jahr zuvor gerade erst eingeschult worden und dementsprechend dürftig waren meine Schrift und meine Rechtschreibung. Der Empfänger wurde netterweise von einer Betreuerin eingetragen, da die Post sonst wahrscheinlich nicht angekommen wäre ;-). Aber immerhin war es meine erste Urlaubspostkarte, die ich geschrieben habe.
Das seltsame ist, dass diese Freizeit wohl der einzige Urlaub ist, von dem ich nicht ein Erinnerungsfoto besitze. Diese Karten sind für mich somit der einzige Beweis, dass ich überhaupt dort gewesen bin.
Entgegen dem Geschriebenen war die Freizeit allerdings keineswegs schön und ich konnte es auch kaum erwarten wieder nach Hause zu fahren. Da ich im CVJM gar kein Mitglied war, kannte ich keins der anderen Kinder (von denen die meisten auch noch Geschwister waren) und war ziemlich auf mich allein gestellt. Die »Freundinnen«, die ich erwähne, mit denen ich auch mein Zimmer teilte, waren schon recht lange befreundet und so war ich automatisch außen vor. Hinzu kam, dass sie oft gemeine Sachen sagten, sich über meinen rosafarbenen Plüschhasen lustig machten, die Tatsache, dass ich zu jenem Zeitpunkt keine Mama mehr hatte und darüber, dass ich trotz gleichen Alters eine Klasse unter ihnen war. Wenn ich mich richtig erinnere, haben sie sich sogar über meine Karte lustig gemacht, weil da so viele Fehler drauf waren. Da sie die Karte aber lesen wollten, konnte ich schlecht schreiben, wie gemein sie waren.
Zwar hab ich dort auch interessante Sachen erlebt, wie z.B. den Filmdreh von »David gegen Goliath«, aber die Gesamterinnerung ist dennoch negativ haften geblieben. Leider konnte ich damals noch nicht Tagebuch schreiben. Das hätte heute evtl. mehr Aufschluss gegeben, ob es wirklich so schlimm war. Aber wahrscheinlich hätten sich die zwei »Freundinnen« auch darüber noch lustig gemacht. Das war jedenfalls mein erster familienfreier Urlaub, den ich damals aber nicht so schnell wiederholen wollte.