Dreieckcs-Freunschaft



TRANSKRIPT
Hi Süße! Westport 11|6|03   ¶   Wollte dir mal wieder nen Brief schreiben.   ¶   Denk im Moment voll oft an dich, vermiss dich hier echt ganz schön!   ¶   Durch die Situation mit Martin im Moment, habe ich voll viel über die vergangene Zeit nachgedacht. Naja und dann ist mir mal aufgefallen oder eingefallen, das ich mich noch nie richtig bei dir entschuldigt habe, dass ich manchmal so komisch bin. Und habe dich ja leider auch manchmal nen bischen hängen lassen.   ¶   Das tut mir wirklich leid, entschuldigung!   ¶   Wenn man etwas mal mit Abstand betrachtet, dann merkt man manchmal was man für nen Scheiß gebaut hat.   ¶   Das mit Martin war echt alles ziemlich schwer für mich. Ich weiß nicht ich kenn ihn schon so lange und wir waren so lange so gute Freunde und er ist mir einfach so wichtig. Ich weiß auch nicht was ich mir damals gedacht habe, als ich





diesen ganzen Bockmist verzapft habe   ¶   War irgendwie alles Scheiße, weil ich echt alles aufs Spiel gesetzt habe.   ¶   Ach keine Ahnung, ich glaub ich habe schon seit mehr als einem Jahr keinen richtigen Kontakt mehr zu ihm gehabt und es hat mich immer so sehr getroffen, wenn du von ihm erzählt hast. So als ob ich nicht über nen Exfreund hinweg kommen könnte, obwohl er ja garnicht mein’ Freund war, weißt was ich mein, oder?   ¶   Kannst dir garnicht vorstellen wie froh ich bin das er sich bei mir auch gemeldet hat, von sich aus. Ich hätte echt fast geheult als ich in meinem Email-Fach ”Gernot H.“, gelesen habe. Musste erstmal tief durchatmen bevor ich die Email geöffnet habe Blöd ne!   ¶   Ist doch auch irgendwie komisch ne, wir beide sind uns total wichtig und uns beiden ist Martin total wichtig. Habe ich letztend mal so drüber nachgedacht, also das ich finde



das wir in manchen Sachen echt ziemlich gleich sind.   ¶   Manchmal schon echt erschreckend.   ¶   Auch wo wir an Halloween in dieser Disco in New Haven waren, habe jedesmal gedacht, oh mein Gott, ich wüsste jetzt genau was J. denkt bei diesen Weibern.   ¶   Habe dann auch zu Christin gesagt, ”Also J. und ich hätten hier ja ne Menge gesprächsstoff!“ War schon irgendwie komisch.   ¶   Seit dem ich hier bin, merk ich erstmal wie wichtig du mir wirklich bist.   ¶   Habe mal darüber nachgedacht wie das wäre wenn du in Stuttgard studierst und ich in Berlin, ich glaub das habe ich auch schon im letzten Brief geschrieben.   ¶   Ich mein das wäre echt nen Stück von Berlin nach Stuttgard. Oder auch schon wenn ich in Berlin und du in Düsseldorf wärst. Das sind auch 5 Std.   ¶   Naja zum Glück gehst du nicht nach Stuttgard.   ¶   Ich mein jetzt seh ich dich auch





fast ein ganzes Jahr lang nicht. Aber ich weiß ja das dass nach einem Jahr vorbei ist.   ¶   Wenn wir aber soweit auseinander wohnen würden, dann könnten wir uns ja auch nicht oft treffen. Sonder nur besuchen fahren und nicht mal ebenso vorbei fahren.   ¶   Hätte voll angst das der Kontakt dann immer weniger wird. Am besten wäre es echt, wenn wir bei zusammen in Detmold anfangen zu studieren.   ¶   Das wäre echt am besten. Würden wir uns jeden Tag sehen, könnten immer zusammen schwänzen etc.   ¶   So was wir halt gerne machen, ne!   ¶   Aber erstmal gucken ob wir da überhaupt angenommen werden. Naja und du hast ja gesagt wenn du in Düsseldorf angenommen wirst, gehst du lieber da hin!   ¶   Aber ich mein Düsseldorf ist ja nicht die Welt.   ¶   Weiß überhaupt nicht wo ich mich noch bewerben soll, kann ja an keiner Aufnahme-Prüfung von hier aus teilnehmen.



voll der Scheiß!   ¶   Ach erstmal abwarten ist ja noch nen bischen Zeit hin!   ¶   Ja und zu Fabian wollt ich noch sagen der Idiot soll mal ganz schnell merken was er verpasst ohne dich, ey!   ¶   Haste das Foto von ihm bekommen was ich dir geschickt habe, ausm Cafe?   ¶   Fand da sieht er ja echt ganz süß drauf aus, hihi!   ¶   Naja musst vielleicht einfach nur nen bischen mehr mit ihm machen, dann merkt er bestimmt wie toll du bist.   ¶   Scheiße, ich ärger mich echt das ich nicht da bin. Dann könnten wir viel mehr darüber quatschen.   ¶   Das echt Mist, verdammt. Hoffe wenn wir nach dem Weekend sprechen, gibts was schönes vom zusammen arbeiten mit ihm zu erzählen :)   ¶   Ok, werd jetzt gleich noch losfahren und den Brief abschicken. Ich den an dich!   ¶   Hab dich lieb,   ¶   dicken Kuss   ¶   Katrin


[ erlebt: 20-jährig / 2003 ]
[ Medium: Brief ] [ Archivierung: WG-Zimmer / Regal / Metallkiste ]

w25
Katrin und ich kennen uns jetzt schon seit acht Jahren. Kennen gelernt haben wir uns im Sommer 2000. Wir haben beide die gleiche Ausbildung am Berufskolleg begonnen und waren eigentlich gleich vom ersten Tag unzertrennlich. Ich weiß es noch ganz genau, wie wir am ersten Schultag in der Aula saßen und neben mir noch ein Platz frei war. Katrin kam rein, setzte sich neben mich und quatschte sofort los.
       Die Ausbildung ging drei Jahre. Diese Zeit war einfach fantastisch. Ich möchte sie nicht missen. Katrin und ich haben einfach alles zusammen gemacht. Ich hatte gerade meinen Führerschein gemacht und wir sind dann immer mit einem kleinen roten Fiesta, auch Party-Auto genannt, durch die Gegend geheizt. Gerne haben wir auch mal die Schule geschwänzt. Am liebsten Wirtschaft und Religion.
       Nach Beendigung der Ausbildung ist Katrin für ein AuPair-Jahr in die USA gegangen und ich habe ein Praktikum begonnen. Am Anfang dachte ich, die Zeit überstehst du nie. Ein Jahr ohne Katrin. Der Abschied fiel schon schwer. Aber es gab ja E-Mail, Telefon und die guten alten Briefe. Wir haben uns immer seitenlange Briefe geschrieben über einfach jeden Scheiß. Wir wollten uns gegenseitig am Leben des anderen teilhaben lassen. Sie hat mir sehr gefehlt in diesem Jahr.
       Martin, der im Brief mehrmals erwähnt wird, war ein Freund von uns beiden. Genau genommen kannten Katrin und Martin sich schon ewig, bestimmt 15 Jahre, und sie waren immer beste Freunde. Über Katrin habe ich Martin kennen gelernt, woraus dann auch eine Fünf-Jahres-Beziehung wurde.
       Der Ursprung dessen, wofür sich Katrin entschuldigt, lag aber nicht bei Martin, sondern bei Lars, Katrins damaligem Freund. In unserer Klasse hatte sich ziemlich schnell eine Clique aus Katrin, mir und fünf Jungs gebildet, darunter auch Lars. Wir haben immer zusammen rumgehangen und ’ne tolle Zeit gehabt. Irgendwann kamen sich Katrin und Lars näher, aber keiner aus der Clique hat es so richtig mitbekommen. Sie haben es auch gut versteckt und geheim gehalten. Keine Ahnung warum. Lars wollte das nicht, wie Katrin mir im Nachhinein erzählte. Auch mir hat sie nichts davon erzählt. Selbst als die beiden richtig zusammengekommen sind, haben sie es weder mir noch sonst jemandem erzählt. Eigentlich sowas von blöd. Als ich dann schließlich doch erfahren habe, dass die beiden ein Paar sind, war ich ziemlich enttäuscht von Katrin und sehr traurig.
       Zu der Zeit hat unsere Freundschaft einen kleinen Knacks bekommen. Es ging dann sogar so weit, dass Lars eifersüchtig auf mich wurde, wenn ich mal was mit Katrin machen wollte. Somit hat mich Katrin öfters angelogen, wenn wir was geplant hatten und es dann plötzlich doch nicht mehr klappte. Bei Martin und Katrin war es das Gleiche. Sie hat einfach nur noch was mit Lars gemacht und mit ihm rumgehangen. Ihre anderen Freunde, also die besten, nämlich Martin und mich, hat sie links liegen lassen. Martin sogar noch extremer als mich, weil ich mit ihr ja wenigstens noch in einer Klasse war. So kam es, dass der Kontakt zwischen Katrin und Martin komplett einschlief. Fast ein Jahr lang. Als Katrin schon ein halbes Jahr in den USA war, haben sie sich langsam wieder angenähert.
       Ich habe heute noch sehr guten Kontakt zu Martin. Wir verstehen uns nach wie vor super und wenn ich mal zu Hause bin, versuchen wir immer uns zu sehen, einen Kaffee zu trinken und zu quatschen. Der Kontakt zwischen Katrin und Martin besteht nicht mehr so, wie er mal war. Eigentlich gar nicht. Man könnte auch sagen... Funkstille.
       Katrin und ich haben unseren kleinen Knacks damals hingegen relativ schnell ausgebügelt. Am Ende ihres USA-Aufenthalts habe ich sie für vier Wochen besucht und wir haben zusammen New York unsicher gemacht. In dem Jahr haben wir auch geplant, was wir machen, wenn sie zurück ist: Zusammen einen Studienplatz suchen und gemeinsam irgendwo studieren. Doch es kam alles ganz anders.
       Ich habe angefangen in Trier zu studieren und Katrin hat eine Ausbildung in Hannover begonnen. Unsere Wege haben sich also getrennt. Aber die Entfernung hat unserer Freundschaft nicht geschadet. Zwar sehen wir uns jetzt nicht mehr oft, aber telefonieren recht häufig und erzählen uns immer noch alles. Wir verstehen uns fast blind. Auch wenn wir mal wochenlang nichts vom anderen hören, macht das gar nichts. Sie gehört einfach zu meinem Leben dazu. Wir werden bestimmt zusammen alt.


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