Dosenbier statt Ballonseide




[ erlebt: 21-jährig / 2005 ]
[ Medium: Negativ-Foto-Abzug ] [ Archivierung: WG-Zimmer / Regal / Fotoalbum ]

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Ich habe Campen gehasst. Verabscheut und verachtet, aber vielleicht war es damals, mit 17 Jahren, auch nicht die beste Idee, mit den Eltern meines damaligen Freundes inklusive ihm selbst, auf den Campingplatz eines Nordseekaffs zu fahren, um eine Woche Rentner in Ballonseide und vollgerotzte Kinder zu erleben.
       Trotz dieser traumatischen Erfahrung konnte ich es im Juni 2005 kaum erwarten, endlich das Zelt aufzuschlagen: Nürburgring, Dosenbier statt Ballonseide und Metal statt Rotzgören – Rock am Ring, mein erstes Festival. Erst im Studium habe ich Leute gefunden, mit denen ich endlich auf Festi­vals fahren konnte, so dass ich mich mit Thomas, Andi und Dennis auch nicht durch die Drogenkon­trolle aufhalten ließ. Aber gut, bei drei Leuten im vollgepackten Auto, die bierselig grölten – ich hätte uns auch angehalten.
       An unserem ersten Abend gab es noch keine Konzerte, die Toiletten waren etwas weit weg und es war kalt. So begeistert war ich noch nicht. Auch dann nicht, als ich mich beim Freiluft-Toilettengang im Dunklen beinahe in Brombeersträucher gesetzt hatte. Was wächst sowas auch am Weg, also wirklich. Auf diesem Weg schlenderten wir abends entlang, da wir Freunde auf einem anderen Zeltplatz besuchen wollten.
       Als ich mich noch innerlich über meinen Brombeerkratzer am Daumen aufregte, machte der Weg eine Biegung. Und plötzlich standen wir oben auf dem Berg, das riesige Tal lag uns zu Füßen und überall sahen wir Lichter: Fackeln, Lagerfeuer, Grills – verteilt über ein riesiges Areal und überall, so weit man sehen konnte, campten Leute. Wie ein riesiger Sternenhimmel flackerten Lichter im Dunkeln. Wir blieben alle stehen, schweigend, der Wind trug eine Brise herüber, die nach Grillfleisch, Holzfeuer und kühler frischer Luft roch. Musik tönte von überall her, Menschen lachten.
       Allein dieser Moment machte alles wieder wett und lässt mich noch heute miese Dixie-Toiletten, Regen und warmes Bier ertragen. Eine so riesige Masse an Menschen, glücklich zusammen sitzend und aus Leidenschaft zur gleichen Musik zu­sammengekommen, die friedlich miteinander feiern. Das ist es, was Festivals so besonders macht. Und zwar jedes Jahr aufs Neue.


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