Easy-Rider-Traum




[ erlebt: 15-jährig / 1976 ]
[ Medium: Negativ-Foto-Abzug ] [ Archivierung: Arbeitszimmer / Regal / Fotoalbum ]

m47
Meine gute, alte Puch. Maxi S – um genauer zu sein und schon mein zweites Mofa. Das erste war eine »N« ohne hintere Stoßdämpfer. 15 Jahre war ich damals. 1976 – klasse Zeit war das und der Umstand, dass jede Regenfahrt von tausend Flüchen begleitet wurde oder einem im Winter vor Kälte die Finger abfielen ist längst vergessen. Was bleibt, ist doch immer die gute Erinnerung.
       Was für ein Gefühl war das. Zum ersten Mal die Aussicht auf uneingeschränkte Mobilität, von der Motorkraft zu den entferntesten Zielen getragen. 650 Mark kostete der Easy-Rider-Traum. Dafür gingen das Geld der Konfirmation und vier Wochen der Sommerferien drauf, in denen gearbeitet wurde. Während des Ferienjobs ging es mindestens einmal pro Woche zum Händler, wo das Stück der Begierde stand. Unvergesslich das Betreten des Ladens. Dieser ganz spezielle Geruch nach Fahrradreifen und dem Öl-Benzingeruch aus der Werkstatt. Und dann stand sie da. Bestellt und blank geputzt wartete sie nur noch auf die Abholung. Ich glaube, so gerne bin ich noch nie arbeiten gegangen.
       Dann endlich. Der große Tag war gekommen. Geld auf den Tresen, ein kurze Einweisung und die große Freiheit konnte beginnen. Mit rasanten 25 Stundenkilometern ging es durchs Dorf. Besitzerstolz und ein geheimes Wissen: Die angegebene Höchstgeschwindigkeit ist nicht von Dauer. Ja, früher war nämlich doch alles besser! Die eingebaute Drosselung war nicht für die Ewigkeit gemacht. Nach rund vier Wochen löste sie sich in Wohlgefallen auf und das kleine Biest rannte nach Lust und Laune.
       Dass die Drossel sich in Luft auflöste, passierte abends auf dem Nachhauseweg. Kühle Luft im Herbst, zwischen den Maisfeldern steht der Nebel. Der Motor fängt an immer freier zu drehen. Ja, das ist es. Den Kopf auf den Lenker und alles aus der Kiste rausquetschen. Nach einigen Tagen Einfahrzeit waren locker 55 Stundenkilometer drin. Wohlgemerkt alles völlig legal, denn frisiert wurde nichts.
       Leider hielt der Spaß nicht lange an. Kinonachmittag und das Ding war geklaut. Die Versicherung hat’s zwar ersetzt, doch mit Geschwindigkeitsrausch war jetzt Schluss. Dem inoffiziellen Werkstuning hatten offizielle Stellen einen eisernen Riegel vorgeschoben. Also gab es zum Trost – nach erneuter Ferienarbeit – die S-Version mit hinteren Stoßdämpfern. Nur schneller als 27 Kilometer pro Stunde wollte das Gelumpe einfach nicht mehr laufen. Also wurde frisiert, was das Zeug hielt. Kolben, Auspuff und Übersetzung. Breiter Lenker und Doppelsitzbank für das gute Aussehen. Nichts wurde ausgelassen. Kettenfett als Nivea-Ersatz und Benzin als Parfüm. Enge Jeans, deren Reißverschluss nur mit der Kneifzange zuging, gehörten ebenso dazu, wie der Sturzhelm am Ellenbogen. Die Frisur sitzt – Schönheit geht eben vor. Die Beine lässig in das Rahmendreieck geknotet, ging es so auf Partys, Kirmes, Disco oder was sonst so in mofagängiger Entfernung lag.
       Mit 80 bis 90 Stundenkilometern kam man aber auch ordentlich rum. Zwar fuhr das schlechte Gewissen immer mit, doch egal – wir waren alle ziemlich gute Verdränger. Schließlich brachte die Mofa, was sie versprach: Freiheit und ein neues Lebensgefühl.


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