Ein buckliger Winter



TRANSKRIPT
Ein bucklliger Winter   ¶   Ein seltsames Licht   ¶   Sie und ich   ¶   und alles was damals noch zwischen uns fiel   ¶   Wir hielten uns auf   ¶   aber wir hielten nicht an   ¶   Wir meißelten unsere Namen in den Asphalt,   ¶   Wir schrieben: ”Wir waren hier. Genau wie ihr.“   ¶   Ich hatte den Arsch voller Glück   ¶   und das Maul voller Beschwerden.   ¶   Auserkoren um gebückt zu gehen, ja, ja...   ¶   (Und) ich halte mich fest   ¶   an allem was nicht wehtut,   ¶   doch ein kleines bisschen mehr Würde wär nicht schlecht,   ¶   wenn ich (dann) singe: ”Ich war hier. Genau wie ihr.“   ¶   Ref.:   ¶   W So wie es war soll es nie wieder sein   ¶   und so wie es ist darf es nicht bleiben   ¶   und wie es dann wird kann vielleicht   ¶   nur der bucklige Winter entscheiden aber   ¶   wir sehen uns wieder ganz bestimmt. Irgendwann.   ¶   Wir schnappten nach Luft.   ¶   In einem Bett am Fenster   ¶   (Es war) weit geöffnet um die Stille zu vertreiben.



Ich blickte dich fragend an.   ¶   und du lachtest mich nur aus   ¶   doch deine Lippen formten leise dein Gebet   ¶   du sagtest: ”Ich bleibe hier. Genau wie ihr.“   ¶   2 Wochen später auf dem Hof   ¶   dein lebloser Körper.   ¶   In einem Zimmer voller Blumen und Gewalt.   ¶   (und) 6 kleine Jungs   ¶   aufgereiht im dunklen Anzug.   ¶   ihre Lieder klagten lautlos durch die Nacht.   ¶   Sie sangen: ”Bitte bleib hier. So wie wir.“   ¶   Ref.:   ¶   Doch so wie es war, wird’s nie wieder sein   ¶   und so wie es ist, wird’s nicht bleiben.   ¶   und wie es dann wird kann vielleicht   ¶   nur der bucklige Winter entscheiden, aber   ¶   wir sehen uns wieder irgendwann ganz bestimmt.   ¶   Ganz   ¶   Irgendwann.



[ erlebt: 28-jährig / 2007 ]
[ Medium: Liedtext] [ Archivierung: irgendwo in der Wohnung oder in der Jackentasche ]

m29
»Ein buckliger Winter« ist der Text zu einem Lied, welches ich im Frühjahr 2008 geschrieben habe – knapp ein Jahr, nachdem meine Mutter an einer schweren Krankheit gestorben ist. Als Songschreiber verarbeite ich oft persönliche Themen in meinen Liedern und in diesem hier setze ich mich mit ihrem Tod auseinander und beschreibe u.a. meine letzte Begegnung mit ihr, bevor sie zwei Wochen später verstorben ist.
       Sie lag im Krankenhaus und mein Vater rief mich an und sagte mir, dass ich lieber jetzt als später nochmal zu ihr fahren sollte, denn die Ärzte hatten nichts Gutes prophezeit. Als ich bei ihr ankam, war ich erschrocken und fasziniert zugleich. Sie wirkte wirklich sehr krank und zerbrechlich und doch brannte noch so viel Feuer in ihr, wie ich es von ihr kannte.
       Sie erzählte mir, dass die Ärzte alle Stümper seien und dass sie unmöglich in der nächsten Zeit sterben würde. Das würde sie doch selbst merken, wenn es so wäre. Sie verdrängte den nahenden Tod einfach und war darin so überzeugend, dass ich ihr geglaubt habe. Wir saßen auf ihrem Bett, starrten aus dem Fenster und ich spielte ihr Lieder vor, das hatte sie sich gewünscht. Immer, wenn ich auf ihren aktuellen Krankheitszustand zu sprechen kam, sagte sie nur: »Ich bleibe bei euch.« Und ich wollte ihr glauben. Ich bin durcheinander und beruhigt zugleich wieder nach Hause gefahren und konnte es nicht fassen, als sie zwei Wochen später tatsächlich verstorben ist. Und da standen wir dann an ihrem Totenbett – mein Vater, meine Brüder und ich – sechs kleine Jungs im dunklen Anzug.


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