Freiheit und Überdruss



TRANSKRIPT
LINKS ISLA OMETEPE SA. 8.12.–Mo, 10.12.   ¶   Aber erst: die Zuckerwattengeschichte   ¶   Am besagten Abend in Granada, gehen wir Jungs also auf Jück, eviliger Alkohol und einige Joints beschwingen uns soweit, dass eine ausgelassene Stimmung ein voll untertriebenes Adjektiv der Stimmung ist. So gehen wir also über belebte Plätze und folgen einer zeremonierenden Menge, man muss wissen, dass der Dezember der in Nicaragua, der Monat der feierlichen Umzüge ist und ständig Marien­statuen, gefolgt von Blaskapellen, durch die Stadt kutschiert werden. Nun befinden wir uns also auf irgendeiner der unzähligen Kundgebungen, allerdings in den hintersten Reihen. Plötzlich taucht neben uns eine Süßigkeitenverkäuferin auf, die an einer langen Stange, kleine roserne Zuckerwattenpakete feilbietet. Da die Verkäuferin jedoch so klein ist, baumeln die Pakete jedoch trotz langer Stange auf Bennis Augenhöhe langsam vorbei. Er nutzt die Gunst der Stunde und beisst zu. Nun bahnt sich also die Verkäuferin, die nur Augen für ihren Süßigkeitenwagen hat, den sie vor sich herschiebt und diesen

RECHTS darauf bedacht ist, diesen heil durch die sich nur wiederwillig teilende Menge zu bugsieren. Benni, der nicht daran denkt loszulassen immer im Schlepptau, durch den Mob. Die Menschen, die dieser wohl sehr skurril anmutende Umzug passiert, schlagen sich vor lachen auf die Schenkel und liegen sich auch prustend in den Armen. Wir drei folgen in einigem Abstand, wir brauchen unsere Zeit bis wir uns wieder bewegen konnten, da der Anblick eines 1,95 großen blonden mit Deutschlandtrikot und kurzer Hose, der sich in einen Haufen Zuckerwattepakete verbissen hat und nicht im Traum daran denkt loszulassen und sich daran hängend durch ein Meer schwarzhaariger Dunkelhäutiger, langärmeliger Nicos ziehen lässt, die zum entweder ungläubig die Kinnladen fallen lassen, auf ihn zeigen oder ihn aufmunternd auf die Schultern klopfen. Wir brechen ungeniert in die geschlagene Brechen haben jedoch Mühe zu folgen, da die Verkäuferin ein gnadenloses Tempo vorlegt und werden von wie gesagt teils begeisterten



LINKS teils ungläubigen Nicos bereitwillig durchgelassen. Nach unzähligen Minuten bemerkt die Verkäuferin, wart jedoch den Trittbrettfahrer und erhöht mit schreckerfülltem Gesicht das Tempo nochmals stark. Den ängstlichen Blick wird uns wohl Benni wohl noch in Jahrzehnten naturgetreu nachstellen können, O-Ton: „Also, Hvon Humor war da nichts zu sehen.“ Mittlerweile vor der Bühne angekommen, verschwändet die sie such geht sie hinter dieser in Deckung. Benni der nun im undefinierten Zwischenraum zwischen Bühne und der ersten Zuschauerraumreihe steht, entscheidet sich für den Ace-Ventura-Abgang entscheidet und verschwindet in der nächsten dunklen Gasse, wo wir ihn kurze Zeit später abholen und ihn erstmal gebührend feiern. Und da wir gerade bei Umzügen sind und den damit einhergehenden Feierlichkeiten, können wir jetzt auch nahtlos zu Isla Ometepe überleiten. Denn was, bzw. vor allem mich dahin zog, waren Andis überschwengliche Erzählungen von den dortigen Festivalitäten

RECHTS und Frauen. Was j uns jedoch beides verwährt bleiben sollte. Das große Fest entpuppte sich als ein Dorffest mit furchtbar beschissener Musik und schreiendem MC, Frauen? Fehlanzeige. Männliche Potenz und Aggressivität liegt in der Luft und wir treten den Rückzug an. Daneben, dass das Wetter auch enttäuscht, und die beiden majestetisch anmutenden Vulkane, die diese Insel erst schufen, hüllten sich in zähem Nebel, hat die gibt es jedoch auch erfreuliche Momente. Auf dem Weg zur Insel lerne ich nette Menschen kennen, die allesamt ich angequatscht habe, wir geben uns Samstag Abends nicht den erwartenden Todesstoß und starten Sonntagmorgens gutgelaunt, ausgeschlafen und voller Tatendrang eine Fahrradinselerkundungstour. Drei junge Männer in der Blüte ihres Lebens, „oh oah, lass ma um den Vulkan rumfahren, sind ja nur knapp 60km, iss doch nix, die bei der Tour de France fahren doch über 100 am Tag.“ Naja, ein kurzer Satz zu den Umständen, ~ 35°C, Straße, nein Buckelpiste, ständig



LINKS hoch und runter, der Weg mit der schlimmsten Schlagloch-,Pfützen-Wurzel-Stein-Akne seit Menschengedenken befallen und die Fahrrädern verdienten diesen nah Namen nicht. Wir schaffen es also mit der Mobilisierung letzter Reserven gerade Mal bis zur Finca Magdalena am Fusse des Vulkan Madeira, immerhin 15km und zurück müssen wir ja auch noch. Ne, ne, so ne Verschwendung menschlicher Energie, sind ja schließlich im Urlaub. Dann doch lieber an See fahrn, kiffen und den Kinners beim fischen zuschauen, sowieso viel zu schwül für Sport, mal abgesehen von den geschundenen Ärschen und Händen. Gesagt, getan. Abends werden dann noch ein paar Bilder für die Galerie des Vereinsheim der Hitlerjugend gemacht und klar ist auch, morgen fahren wir wieder. Gesagt, getan, aber vorher wird noch aufn Vulkan geklettert, jawohl, das ist gut. Also morgens früh raus und mit Oswaldo auf den Vulkan, allerdings nur auf gut 800m, weil neblig, Aussicht ganz nett, klettern auch aber vorallem Oswald, der sich zu einem

RECHTS Supergesprächspartner entwickelt und sich der teure Vulkantrip, zur billigen Spanischstunde entwickelt. Naja, kurz mal nen Blick auf die Insel erhaschen und dann wieder los, zurück nach Mayagulpa, mit Boot nach San Jorge, mit Taxi nach Rivas, mit Bus über böse, böse Buckelpiste nach San Jose del Sur. Checken da in der Casa Oro ein, typisches Amihostel, wie gehabt und nach ner halben Stunde geht uns leider schon wieder jeder auf’n Sack. Typen die nicht nur scheiße aussehen, sondern auch noch noch scheiße sind, unbeschreiblich scheiße! scheiße über den beschissensten Scheiß lachen und das den ganzen Tag.



LINKS SAN JUAN DEL SUR PLAYA MAYA GUALPA   ¶   MO 10.12.–15.12.   ¶   Geburtstag! Benni überrascht mich mit Frühstück und ordentlich Bölkstoff und wir entfliehen dieser ganzen, Ami-cool-sein-Surfer-Kulisse und fahren mit Hostel-Shuffle, alles streng durchorganisiert hier! nach Maderas, nen Strand, und da erwartet uns dann die Strand-Ami-doppelt-cool-sein-real-Surfer-Kulisse, boah ekelhaft, die Leute können sich vor lauter coolness nicht mehr bewegen.Erster Impuls, Flucht, wandern ne halbe Stunde

RECHTS am wunderschönen Strand weiter und gelangen dann an nen „Felsstrand“ mit eigener Badewanne. Hier können wir dann endlich entspannen. Aber richtig, Ron und CuChurro mit im Gepäck wirds der entspannenste, ruhigste, gute Laune geladenste Tag seit langen. Leider viel zu schnell vorbei und es geht wieder in die Tourihölle zurück. Abends ziehen wir noch durchs Dorf, spielen Kicker und trinken.   ¶   Um zehn fallen wir dann knülle in die Koje. Morgens entscheiden wir uns dann endgültig an den Strand zurückzuziehen. Die Pläne am Strand zu schlafen zerschlagen sich dann aufgrund von Warnungen vor „Überfällen“ und nem realen Moskitoproblem. Mieten uns dann bei super unfreundlichen Monopol-Hostel-Cabaña-Besitzer-Wixxern ein und wiederholen den gestrigen Abend mit Ron & Churro, das haut allerdings mächtig rein und die Stimmung ist auch nicht mehr die gestrige, naja, trotzdem geil. Abends dann Lagerfeuer mit den Leuten, anderen Gästen, vom Hostel, ganz nett aber unseren, wahrscheinlich viel zu hohen Ansprüchen nicht ge-



LINKS recht werdend. Lernen noch Sebastian aus Bremen kennen und mit ihm wirds noch richtig nett. Schlußendlich hab ich noch nen date mit der Kloschüssel, passt irgendwie zu dem Tag. Der darauffolgende Tag ist leider aus meiner Erinnerung getilgt. Das ist wohl der Preis für den übermäßigen Konsum der letzten Tage. Man wird ja auch nicht jünger. Den 14. verbringen wir tagsüber am Strand und verbri fahren dann zurück nach San Juan. Erledigen den Mist, den man so zu erledigen hat, schlafen in nem sündhaft teuren Hotel, gehen sündhaft teuer essen, machen drei Kreuze das wir morgen abhauen, ziehen nochmal richtig über die ganzen Spackmaten ab, die hier hier rumrennen, kommen uns ziemlich geil dabei vor und freuen uns, dass wir mit dieser Welt nix am Hut haben und das wir davon unabhängig sind...

RECHTS COSTA RICA   ¶   Playa Brasilito Sa 15.–Di 18.12.07   ¶   Ja, aus angerissenen Gründen, purer Ekel, der schon fast körperlich wehtut, von den seelischen Schäden ganz zu schweigen, verlassen wir diese Welt, die uns einfach nicht aufnehmen will und gegen die wir uns streuben, mit dem Entschluß, nach San Jose, Hauptstadt Costa Ricas zu fahren und auch bald mal nach Südamerika rüberzumachen. Wie vielleicht noch nicht erwähnt, reisen wir seit der Trennung von J. & A. ohne Lonely Planet, was einen irgendwie freier macht, aber auch so einige Lücken aufmacht. Schlagen uns halt tausend Leute fragend, die gerne auch alle mal was völlig verschiedenes erzählen, zur Grenze durch, irgendwie geht’s ja immer. Grenze auch völliges Chaos, wohin? was? wie? wo? Häh, ja da, ne, achso! mittelamerikanischer Grenzalltag, treffen dann Noe und Augustina, an zwei Traveller, die seit Jahren in Süd- und Mittelamerika unterwegs sind und die beiden nehmen sich uns an. Muss immer



LINKS son geiles Bild sein. Zwei schwer beladene Weiße, die so komisch aussehen, verwirrt irgendwie und sowieso auch viel zu groß und der eine blond und Brille und wie die reden, aber lass mal anhauen, da springt bestimmt was raus. Unzähliege dieser Situationen, würde gerne mal raus zoomen und zuschauen und genießen. Naja, wie gesagt, die beiden, bzw. drei, Noe’s Vater war auch noch an Bord waren bislang der Glückstreffer der Reise, super nett und interessant und es ist ein herrliches Gefühl, sich mit Menschen vom anderen Ende der Welt so gut zu verstehen und sich so nahe verbunden zu fühlen und hier ist nicht die Rede von diesem romantisierten one-world gelaber. Die drei nehmen uns auf jeden Fall mit nach Brasilito, wo sie momentan leben, er arbeitet als Tauchlehrer, sie verkauft selbstgemachte Handicrafts und steigen bei Hans in der Brasilitolodge ab. Schlafen die erste Nacht draußen und werden a) von ner dicken läufigen Costaricaner sexuell belästigt und b) brutal von Mücken zersägt, habe ca. 30 Stiche an beiden Füßen. Der Ort ist scheiße, dafür der etwas entfernt

RECHTS liegende Strand Playa Conchal wunderschön. Chillen den Sonntag am völlig überfüllten Strand mit ziemlich dekadenten Costa Ricanern. Ist das reichste Land Costa Ricas Zentralamerikas, mit breiter Mittelschicht und nem ziemlich protzigen Benehmen. Blond gefärbt, tätowiert, gepierct, Amiklamotten Sonnenbrillen. Abends sind wir bei den Argentiniern eingeladen, essen, trinken, kiffen und quatschen. Supervoller, -intensiver Abend an dem wir glücklich am Strand entlang nach Hause gehen und noch in fast völliger Dunkelheit über den Bach rüberhüpfen, wobei sich Benni voll aufs Maul packt und ich somit nen Liter Bier gewinne.... hehe. Der nächste Tag ist mal richtig scheiße, habe Sehnsucht nach Familie, Freunden und nem zu Hause, bin dieses dekadente Leben über und liege frustriert bis um eins im Bett, nachdem ich eineinhalb Stunden vor mich hinbrütend im Schaukelstuhl sitzend, die Wand angeglotzt habe, entscheide ich mich für das einzig richtige, kaufe Bier, besauf mich und gucke drei Stunden Fußball, bescheuert zu sagen, hab das Gefühl, die Zeit vergeht nicht



LINKS ich muss sie totschlagen und will am liebsten nach Hause. Abends sind wir noch mal bei Noe & Augustina. Die beiden sind echt Balsam für die Seele. Augustina sagt: „Das schönste und wichtigste am reisen, ist es, interessante Leute zu treffen, von diesen zu lernen und vor allem mit das selbst gelernte weiter zu geben, Leute zu verändern, zu „erziehen“, zu „lehren“ und damit meinen Teil zu leisten, die Welt ein klein wenig zu verbessern. Auf dem Nach-Hause-Weg entscheiden wir uns, morgens abzureisen und die tausenden von Sehenswürdigkeiten, die Costa Rica so bietet links liegen zu lassen (siehe V. Irazu), wow, dass werden wir bestimmt noch bereuen, aber irgendwie haben wir auch genug, von Djungel, Regenwald, Nebelwald, Bergen und Vulkanen. Also warten wir 4 Stunden auf den Bus, fahren damit 6 Stunden und kommen mal wieder in der achso gefährlichen Nacht in Cos San Jose an und quartieren uns mir nichts, dir nichts im gefährlichsten Teil der Stadt ein.
RECHTS VOLCÁN IRAZU   ¶   SAN-JOSE Di 18.12.–So 23.12.   ¶   Der erste Tag in der Stadt ist wie ein Rausch. Stadtplanerischer Streifzug, kreuz und quer, entdecken, treiben lassen. Die Innenstadt mutet sich sehr europäisch an, vor allem Barrio Amon, französisches Viertel im Jugendstil entstanden, viele Häuser stehen zwar nicht mehr, aber die noch vorhandenen lassen alte Pracht und Schönheit erahnen. Die Stadt­teile, die sich um das Zentrum



LINKS ARTE POPULAR, SAN JOSE   ¶   anschließen, zeigen uns dann jedoch wieder bekannte Bilder, des typischen Chaos, Verkehrschaos, jeder gibt an der Hupe alles, Straßengräben, die ihrem Namen hier auch würdig werden, Gullilöcher, in denen man ohne Probleme kom-

RECHTS plett verschwinden könnte, ohne jemals wieder zu kehren, Müll, Müll, Müll und Straßenmärkte, die einen von einer ruhigen Sekunde, ins wilde Treiben hinein katapultieren und auch wieder in scheinbare Stille reinkatapult ausspucken. Nur dass man jetzt plötzlich in der Innenstadt steht und schnurgerade in die Einkaufs-/ Fußgängerzone gerät, die dann wiederum abgeht, nur irgendwie anders. Eigentlich auch kaum Unterschiede zu den europ. Zonen, nur dass sie viel voller sind und nur Costaricaner dort rumlaufen. Ansonsten ähnliche Fressbuden, Weihnachtsdeko, Angebot und vorallem Preise. Hängen noch ne Stunde in der Buchhandlung „Hr. Lehmann“ rum, die in d. 4. Generation seit 111 Jahren besteht und treffen auf eine Brockendeutschsprechende Verkäuferin, die ziemlich informativ ist, aber bald zu nerven anfängt. Scheiße ins Bier geäscht, fuck!!! Im Internet-Cafe lesen wir dann die freudige Nachricht, dass A. und J. auch in der Stadt sind, das komischerweise nen Riesenkick, so dass wir



LINKS in freudiger Erwartung in ner superchaotischen Aktion versuchen sie zu treffen, woraus leider aus kommunikationsdefizitären Gründen erst mal nichts werden sollte. J. steht dann allerdings mit Camillo & Freundin um 12 vorm Hostel, mit Bulli und es gibt ein sehr freudiges Wiedersehen und Kennenlernen, nur A. ist nicht mit dabei, weil sie noch packen will, da ja am nächsten Morgen früh abgereist werden soll. Egal, wahrscheinlich so eh besser. Mit J. ists wie im Rausch und wahrscheinlich mit den beiden anderen auch sehr nett, jetzt doch, nen guter Vorgeschmack auf den letzten Reisemonat. Leider werden wir um zwei rausgeschmissen und touren dann noch biertrinkend mit dem Bulli durch die Stadt. J. und Benni haben noch viel zu bequatschen und ich häng besoffen im Park ab. Mit der aufgehenden Sonne fallen wir um sechs in die Koje.....Morgens früh raus und Umzug ins Tranquilo Backpackers, Tüddeltag ohne besondere Vorkommnisse, sehr geiles Hostel. Freitag ist dann der Actiontag, gehen mittags los zum

RECHTS einkaufen. U Reiten durch die Innenstadt und grasen so ziemlich jeden Laden ab. Wo wir auftreten, reissen sich die meist ziemlich hübschen Verkäuferinnen darum uns zu bedienen, Paradies! Nach Stunden haben wir dann alles beisammen und reiten ins Hostel zurück. Dort ziemlich geil kochen, essen, party­checken und noch ne latte netter Leute kennen lernen. Hic Benni wird noch Opfer eines sexuellen Übergriffs einer Prostitutierten beim Versuch, die Dame, die wir gestern an der Plaza de las Arks kennen gelernt haben zu erreichen. Als er den Park durchquert, kommt eine blondierte Vollbusige auf ihn zu, reisst ihr Oberteil hoch und ist darunter nackt, schmeißt sich Benni in die Arme und versucht ihn korporal davon zu überzeugen, doch mit ihm zu kommen. Als Benni jedoch nicht anbeißt, greift die Dame zu härteren Mitteln und krallt sich mit Eisengriff in Bennis Eiern fest, um ihn mit sich zu ziehen. Nach einigen schmerzhaften Drehern um die eigene Achse, schafft er es sich zu befreien, worauf sie, ihn übelst be-



LINKS schimpfend abzieht. Der Arme kam völlig verwirrt ins Hostel zurück, wo seine Story auf jeden Fall die Stimmung anhebt. Ziehen dann auf gut Glück in die Stadt los, wo wir nen Typen treffen, der uns mit zu ner Elektroparty schleppt. Da kommen wir allerdings nicht an den Türstehern vorbei, weil wir uns nicht ausweisen können. Mist. Draußen lernen wir dann Louis und seine Crew kennen, völlig bekloppt die Jungs, aber nett. Trinken und kiffen noch ne Runde mit den Jungs, wie zu Hause vorm Clubbesuch. Louis leiht dann Benni seinen alten Perso und seine Jacke und wir versuchens noch mal und siehe dann, es funktioniert. Drinnen angelangt ziemlicher Abschuß, rumgedance, saufen, quatschen und nach nicht allzu langer Zeit lerne ich Maria kennen, mit der ich dann nach nicht allzu längerer Zeit tanze und und und... Naja, Zeit vergeht im Flug, wir ziehen noch weiter mit Maria und ihrer Freundin Alesandra. Landen in ner Kneipe im Zentrum und geben uns den Rest, bleib mit nem Deutschen an der Theke hängen, der ist dann plötzlich weg, dafür werde ich von zwei

RECHTS Deutsch Schwulen zum trinken eingeladen, was sich später rausstellen sollte. Witzig mit den beiden, bis der eine mir auf dem Weg zum Klo nachstellt, sich neben mich am Pisoir platziert, seinen Schwanz auspakt und anfängt damit fröhlich rumzuwedeln und mich anglotzt. Ich glaub zwar ihm vorher klar gemacht zu haben, dass ich nicht schwul bin und auch nicht vorhabe es jetzt zu werden, aber naja. Ich auf jeden Fall in meinem Delirium nix gepeilt, gucke irgendwann zu ihm rüber, was macht der da?, bin aufgrund der Größe seines Schwanzes erst mal erstaunt und sowieso völlig perplex und starre erstmal. Es dauert wohl ein paar Sekunden, bis ich ihn frage, was zum Teufel da macht und wahrscheinlich aufgrund der länge des Blicks, dauert es dann umso länger, ihm klar zu machen, dass ich wirklich nicht schwul bin, da kann er noch so lang wedeln. Er total traurig, zurück an der Theke, versucht noch irgend was zu erklären, ich versuch noch irgendwie die Situation zu retten, „passiert doch jedem Mal“, hoffnungslos, sein Dicker glatz-



LINKS köpfiger Freund meint noch, da kann man jetzt nix mehr machen, er ist verliebt. Ich zieh mich dann mal lieber zurück und weiß nicht ob ich lachen soll, oder der Typ mir leid tut. Ganz strange! Zurück zum Tisch, zu den Leuten, zu Maria, die jetzt nicht mehr unbedingt so sehr an mir interessiert ist. Versuche noch mich zu erklären, aber irgendwie auch viel zu voll und auch egal. Sie verschwindet dann und Benni und ich sitzen noch ne Weile vor der Bar und sinnieren über den Abend. Irgendwann kommt nen Typ und meint, ey ist voll gefährlich hier, ist irgendwie der Lieblingsspruch der Costaricaner, voll paranoid!! „Volle Paranoia Alter!“ Er versteht nix und geht weiter, aber ey, danke, mucho gusto und so! Der nächste Tag ist mal wieder Katertag, miau, ne eher mau, voll im Sack und so passiert eigentlich nichts. Sonntags verlassen wir Costarica um sechs Uhr morgens mit dem Bus von San Jose. Kommen Mittags an die Grenze von Panama, alles aussteigen bitte! Oft beschriebenes Durcheinander wie eh und je, au Costa Rica

RECHTS BOCAS DEL TORO, PANAMA 23.12.–30.12.   ¶   auschecken, und dann über ne alte Eisenbahnbrücke drüber wandern und auf der anderen Seite, Bien venidos en Panama! Dazu ein nicht enden wollender Regen, und unglaublich viele Schwarze, Regaebeats und noch mehr regen. Werden zum Boot kutschiert müssen drei Stunden warten. Und fahren dann folgt die verrückteste Bootsfahrt meines Lebens. ca. 20 Leute auf nem Boot, wo etwa 12 drauf passen, natürlich alle mit dicken Rucksäcken und die ersten 20 Minuten auch alles kein Ding. Fahren über die Backwaterkanäle. Mal breiter, mal schmaler, rechts und links Urwald und Palmen, ab und an mal nen Zaun, Steg, Haus. Auf dem Wasser, so was Seerosen­mäßiges, in riesigen Teppichen auf dem Wasser treibend, ab und an ragt mal ein abgestorbener Baum- oder Palmenstumpf aus dem Wasser. Dann kommen wir aufs of-



LINKS fene Meer, zwischen dem Festland und dem Archipel Bocas del Toro an der nordpanamaischen Karibikküste. Und die Fahrt nimmt noch mal mächtig an Fahrt auf. Der Kapitän zwingt das Boot gnadenlos zu Höchstleistungen und wir schießen mit dem Boot nur so über die Wellenkämme. Ein paar Mal heben wir ab und das wieder aufs Meer aufschlagen, jagd echt brutale Stöße durchs Boot, dabei liegen wir teils so schräg in der Luft, dass man glaubt, die nächsten Welle nicht mehr zu überstehen. Diese Bootsfahrt wäre in jedem Freizeitpark ne Topattraktion! Zu guter letzt geht uns dann noch der Sprit aus und wir dümpeln kurz vor dem Ziel hilflos im Meer, bis uns dann endlich ein anderes Boot ins Schlepptau nimmt und uns an Land bringt. Es regnet immer noch in Strömen und die Träume von der Weihnacht in tropischer Hitze zerschlagen sich als wir von der Wet-

RECHTS tervorhersage, 3 weitere Tage regen, hören   ¶   BOCAS, ISLA COLON 23.12.–26.12.   ¶   Hüpfen dann etwas desorientiert von Vordach zu Vordach und treffen plötzlich Niels wieder, der unter ner Veranda eines Hostels sitzt und gemütlich Kafee schlürft. Setzen uns dazu und checken dann auch in dem Hostel ein. Es folgt die nächsten Tag das typische Travellerleben im Hostel, die typischen Gespräche, blabla, der Regen hält einen drinnen und so kommts das wir heilig Abend um 3 Uhr nachmittags mit drinken anfangen, eigentlich, ja aus langeweile Sitzen den kompletten Tag auf der Veranda, quatschen und drinken und gehen Abends noch auf ne Party, wo sich die ganze Hostelgemeinde versammelt hat und mal wieder, wir gehören nicht dazu und wollen es auch gar nicht, schwierig zu beschreiben, aber wir hatten jetzt auch schon zu viele dieser Tage und die Spannung ist einfach raus. Quatschen uns aber dann doch noch mit paar Leuten fest und bla, bla, bla So vergehen die Tage mit herrlicher „Nixtuerei“



[ erlebt: 26-jährig / 2007 ]
[ Medium: Tagebuch ] [ Archivierung: über 500 km entfernt / Obhut der Schwester / Bücherschrank ]

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Dieses »Buch« ist während meiner Reise von Mexico D.F. nach Buenos Aires von Ende September 2007 bis Anfang April 2008 entstanden. Zuerst habe ich wild drauf losgeschrieben und Bildchen eingeklebt. Mit der Zeit ist mir die Idee gekommen, das Buch für meine Schwester zu schreiben. Sie hatte mir das leere Buch nämlich zum Abschied geschenkt. Infolge dieser Idee, mutiert der anfängliche eher Tagebuchschreibstil mehr und mehr zu einer Briefe- und Berichtsammlung an meine Schwester, die ich mit gezielten selbstgemachten Fotos illustriert habe. So wechselt dementsprechend auch der Adressat und die »Intimität« nimmt trotz des sehr guten Verhältnisses zu meiner Schwester ab. Alles will man ja dann doch nicht preisgeben.
       Der hier abgedruckte Auszug ist schon an meine Schwester adressiert. In der retroperspektivischen Betrachtung fiel mir auf, wie viel in dieser kurzen Zeit eigentlich passiert ist. Wie viele Länder wir in so kurzer Zeit durchreist haben, wie viele Leute wir getroffen haben und dass es von unserer Stimmung her eigentlich der ambivalenteste Teil der Reise war. Die erst kurz zuvor erlangte »Freiheit«, zu zweit unterwegs zu sein, gepaart mit der Euphorie, in drei Wochen durch fünf verschiedene Länder zu touren, wurde durch einen Überdruss von den immergleichen Touristengesichtern und -Orten überlagert. Was bleibt sind die lustigen »großen« Geschichten, gefühlt und gedanklich ist dieser Teil der Reise jedoch sehr unpräsent.
       Meine »Motivation« auf Reisen zu schreiben, beruht eigentlich darauf, dass ich auf allen meinen Reisen »Buch geführt« habe. Das war für mich immer ein guter Weg, teils skurrile Eindrücke, Erfahrungen und Bilder zu verarbeiten, einordnen und nicht zuletzt speichern zu können. Man vergisst ja doch das Allermeiste. Ich habe vor kurzem meine Aufschreibsel von einer Reise vor sechs Jahren gelesen, von der in meinem Kopf nur noch Fragmente übrig sind. Aber beim Lesen kam so viel wieder hoch. Ich denke, die Bedeutung von solchen Aufzeichnungen kann man gar nicht genug wertschätzen. Man könnte es vielleicht als externe Festplatte bezeichnen. Am letzten Tag der Reise hätte man mir alles wegnehmen können, nur um dieses Buch hätte ich gekämpft...


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